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Eine Kometenentdeckung in Bonn

Es dürfte wenig bekannt sein, dass in Bonn im Jahr 1924 ein recht heller Komet entdeckt wurde. Dies geschah nicht – wie man annehmen würde – an der weltberühmten Argelander-Sternwarte in der Poppelsdorfer Allee, sondern durch einen Amateurastronomen. Paul Finsler (1894-1970) war ein ebenso bekannter wie umstrittener Mathematiker. Nach seinem Studium an der Universität Göttingen habilitierte er sich 1922 an der Universität in Köln, wo er bis 1927 lehrte, bevor er einem Ruf an die Züricher Hochschule folgte. In seiner Freizeit widmete sich Finsler der Astronomie, und dies nicht ganz erfolglos.
Am Abend des 15.09.1924 fand er in Bonn (wo er offenbar einen zeitweilig wohnte) mit einem Fernglas unweit des Sterns 42 (= Alpha) Comae Berenices einen Kometen, der immerhin eine Helligkeit von 4 mag besaß. Nachdem es am Folgetag bewölkt war, konnte Finsler das Objekt am 17.09.1924 wieder auffinden. Die Helligkeit war inzwischen um eine ganze Größenklasse zurück gegangen. Jedoch konnte nun ein etwa 4 Grad langer Schweif beobachtet werden. Am folgenden Tag meldete der Professor seine Entdeckung (heute als C/1924 R1 bezeichnet) der Zentralstelle der Internationalen Astronomischen Union, welche ihren Sitz damals in Kopenhagen hatte. In der Abenddämmerung des 19. Septembers wurde das Objekt an mehreren Sternwarten – u.a. in Bonn – aufgesucht. Systematische Beobachtungen begannen offenbar einen Tag später. Am 22.09.1924 entstand am Yerkes Observatory eine Fotografie, welche einen typischen "Gaskometen" zeigt, der deutlich dem aktuellen Kometen C/2012 F6 (Lemmon) ähnelt. Zu dieser Zeit war die Helligkeit bereits auf etwa 7 mag gesunken, am Monatsende lag sie unter 8 mag.

Komet Finsler (C/1924 R1)
Komet C/1924 R1 (Finsler), aufgenommen mit dem 24-inch Reflektor des Yerkes Observatory. University of Chicago Photographic Archive, apf6-02094.
Special Collections Research Center, University of Chicago Library.

Bahnberechnungen zeigten, dass der Schweifstern sein Perihel bereits am 04.09.1924 in 0.41 AE Sonnenentfernung erreicht hatte und sich jetzt rasch von Sonne und Erde entfernte. Hinzu kam, dass er sich zunächst nur wenig aus der Dämmerung lösen konnte und dann im Oktober (scheinbar) wieder der Sonne näherte. Bereits am 19.10.1924 erfolgte die letzte Beobachtung. Bedingt durch die überraschende Entdeckung und die ungünstige Position am Himmel konnten abgesehen von Positionsbestimmungen kaum Untersuchungen durchgeführt werden. Die Fotos vom Yerkes Observatory dokumentieren möglicherweise einen Schweifabriss. An der gleichen Sternwarte wurde auch ein Spektrum des Kometen gewonnen.

Steckbrief des Kometen Finsler
Entdeckung: 15.09.1924
Perihel: 04.09.1924, 0.41 AE
Erdnähe: 11.09.1924, 0.87 AE
Neigung der Bahn zur Erdbahn: 120 Grad
Umlaufszeit um die Sonne: unbekannt
Mit bloßem Auge sichtbar: 15.09. – 20.09.1924
Max. Helligkeit: 4.0 mag
Max. Schweiflänge: 4 Grad

Bahn des Kometen Finsler durch das innere Sonnensystem
Bahn des Kometen Finsler durch das innere Sonnensystem. Eingezeichnet ist seine Position am Entdeckungstag (15.09.1924). Aufgrund seiner Bahnlage konnte er von der Erde erst einige Zeit nach seinem Perihel gesehen werden, als er weit genug oberhalb der Sonne stand. Da ihn seine Bewegung (nach links in der Abbildung) dann jedoch wieder nach Süden führte und er zugleich sehr lichtschwach wurde, versank er nach Mitte Oktober endgültig in der Dämmerung.

Paul Finsler blieb seinem Hobby auch in Zürich treu. Dort entdeckte er am 04.07.1937 noch einmal einen Schweifstern (C/1937 N1), der bis zu 3.9 mag hell wurde. Der zweite Komet Finsler wurde wesentlich bekannter als die Bonner Entdeckung, weil er günstiger am Himmel stand und etwa 2 Wochen lang gut mit bloßem Auge sichtbar war. Entsprechend erschien eine Vielzahl von Publikationen. In der großen "Kometendürre" – zwischen 1911 und 1957 konnte auf der Nordhalbkugel kein wirklich heller Schweifstern beobachtet werden – waren jedoch beide Finsler-Kometen als durchaus beachtliche Objekte einzustufen.

Komet Finsler (C/1937 N1)
Der zweite Komet Finsler (C/1937 N1), aufgenommen am 6. August 1937 am Hainberg Astrographen in Göttingen.
Aus der Sammlung Historischer Himmelsaufnahmen der Universität Bonn.

Literatur zu Komet Finsler (C/1924 R1)
Anonymus (1924): New Comet c 1924 (Finsler). Popular Astronomy 32, 578-580
Kobold, H. (1924a): Neuer Komet 1924 c (Finsler). Astronomische Nachrichten 222, 335.
Kobold, H. (1924b): Beobachtungen des Kometen 1924 c (Finsler). Astronomische Nachrichten 222, 375.
Parkhurst, J.A. (1924): The spectrum of comet Finsler. Popular Astronomy 32, 521.
Van Biesbroeck, G. (1924): Comet Finsler c 1924. Popular Astronomy 32, 660.
Zacharov, G. (1930): Einige Schätzungen der Helligkeiten der Kometen Encke (1924b) und Finsler (1924c). Trudy Tashkentskoj Astronomicheskoj Observatorii 3, 52-53.